Auf der Raupe in die Vergangenheit

Der Böhmische Prater ist mehr als reine Nostalgie oder Hintergrund für Hipster-Selfies. Wer ihn besucht, kann noch heute die Geschichte eines Volks-Vergnügungsparks erleben.

Vor kurzem haben wir eine Reise ins Gestern gewagt: in den Böhmischen Prater.  Viele Wiener verbanden und verbinden mit diesem kleinen Vergnügungspark auf dem Laaerberg schöne Kindheitserinnerungen – und das schon seit langer Zeit. Entstanden ist das Kleinod im 10. Gemeindebezirk nämlich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Aus der Werkskantine der Wiener Ziegelwerke wurde bald das erste Ausflugslokal in der Gegend. Und es dauerte nicht lange, bis sich dort die ersten Schaustellerfamilien ansiedelten. Diese stammten, wie auch die Besucher – Arbeiter der Ziegelfabrik, kurz „Ziegelböhmen“ genannt – größtenteils aus den österreichischen Kronländern Böhmen und Mähren und gaben somit dem Vergnügungspark seinen Namen: Böhmischer Prater.

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Im Zweiten Weltkrieg wurde der Park bei einem Bombenangriff fast vollständig zerstört. Erhalten blieben lediglich die „Raupe“, das älteste noch aktive Vergnügungsgefährt, und das denkmalgeschützte Ringelspiel, auf dem sich angeblich schon Kaiser Franz Joseph I. vergnügt haben soll.

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Dass es den Böhmischen Prater noch gibt, ist zum Großteil der Familie Geissler zu verdanken. Otto Geissler war es, der nach dem Krieg den ersten Kettenflieger aufbaute und die bis heute beliebte Raupe wieder in Betrieb nahm.

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Es folgten das erste Autodrom und andere – heute nostalgisch anmutende – Attraktionen wie die Oldtimer-Bahn und die Minigolfanlage.

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Auch das erste Heurigenlokal am Laaerberg, „Der Werkelmann“ , wurde von Geissler ins Leben gerufen und erfreut sich bis heute großer Beliebtheit.

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Den Namen verdankt das Ausflugslokal einer weiteren großen Leidenschaft Geisslers : den Karussellorgeln. Wer mag, kann sein privates Orgelmuseum nach Vereinbarung besichtigen.

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Nach Otto Geisslers Tod im Jahre 1995 übernahm seine Frau die Fahrgeschäfte. Henriette Geissler – ein Wiener Unikat – ist die Grande Dame des Böhmischen Praters und schaut auch heute noch nach dem Rechten, mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Kindern und Enkel, die mittlerweile (in vierter Generation) auch schon ins Geschäft eingestiegen sind bzw. Teilbereiche übernommen haben.

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Ein wenig schrullig  und altmodisch mutet diese Miniversion des beliebten und bekannten großen Bruders – des Wiener Wurstelpraters – an. Genau das ist das Reizvolle am Böhmischen Prater und macht ihn bei all denen, die ihn kennen, so beliebt.

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Doch obwohl ihm viele Stammgäste treu geblieben sind und mit Kindern, Enkelkindern und sogar Urenkerln herpilgern, kämpft der Böhmische Prater heute ums Überleben. Die Pachtverträge der fünf verbliebenen Schaustellerfamilien sind Ende 2017  ausgelaufen, und eine Einigung mit der Immobilienverwaltung der Stadt Wien (MA69) gestaltet sich schwierig (erfahren Sie hier mehr). Aber auch die Ganztagesschulen führen dazu, dass sich unter der Woche kaum noch jemand in den Park verirrt.
Grund zur Hoffnung gibt der ehemalige Unternehmer Ernst Hrabalek, der sich vorgenommen hat, den traditionsreichen Vergnügungspark in der Pension wiederzubeleben. Dazu hat er das älteste Ringelspiel inklusive 2700 Quadratmeter Grund vom Schausteller-Urgestein Karl Mayer erstanden. Mit großer Leidenschaft, viel Engagement und völlig uneigennützig (alles, was nach der Kostendeckung an Geld übrigbleibt, kommt dem Preyerschen Kinderspital zugute) geht Hrabalek ans Werk. Frau Geissler freut sich: „Auf so einen“ hat sie laut Kurier-Artikel schon lange gewartet, „einen jungen, dynamischen, der was weiterbringt“.

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Schauen Sie doch auch wieder einmal vorbei und frischen Sie Ihre Kindheitserinnerungen auf – bei einer Runde in der Raupe oder auf dem ältesten Karussell Europas. Und mit einem kandierten Apfel aus der „Süßen Tram“.

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Tip: Ein Besuch des Böhmischen Praters lässt sich auch ganz wunderbar mit einem Spaziergang im benachbarten Erholungsgebiet Laaerwald verbinden. Um die beiden ehemaligen Ziegelteiche Butterteich und Blauer Teich ist ein Vogelschutzgebiet entstanden, das 50 Vogelarten – aber auch andere possierliche Tierchen – beherbergt. Eine weitere Möglichkeit ist es, von hier aus den 15 km langen Stadtwanderweg 7 zu beschreiten, der Sie weiter zur Löwygrube über den Kurpark Oberlaa nach Unterlaa entlang der Liesingpromenade zur Station/Haltestelle Altes Landgut führt.

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Oder Sie schnappen sich Ihren Drachen und lassen ihn – wie viele andere – auf den ausgedehnten Wiesen des Laaerbergs steigen. Der Ausflug lohnt sich auf jeden Fall.  (kat)

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