Kein Fest für Leopold

Dank der total überzogenen Seuchenmaßnahmen fallen die Feiern für den niederösterreichischen Landesheiligen Leopold III. in Klosterneuburg heuer aus – inklusive Fasslrutschen. Gastautor Manfred Hartl feiert ihn dafür in unserem Blog

Leopold III., auch genannt der „Heilige“, Landespatron von Niederösterreich und – zumindest früher – Wien, lebte von 1095 bis 1136. Wer mehr über ihn wissen will, für den schildere ich diesmal anlässlich des Leopolditags am 15. November sein Leben –  und was danach geschah.

Leopold_III._Babenberg

Der hl. Leopold wurde 1073 in Gars am Kamp oder in Melk als Sohn von Markgraf Leopold II., den die Geschichtsschreibung auch den „Schönen“ nennt, geboren.
Sein Vater schlug sich im Investiturstreit* – dem Kampf zwischen Kaiser und Papst, wer denn im Heiligen Römischen Reich die Bischöfe einsetzen solle – auf die Seite des Papstes, was ihn beinahe seine Markgrafenwürde gekostet hätte. Der Kaiser belehnte nämlich kurzerhand den Böhmenherzog Vratislaw II. mit der Mark, dem heutigen Niederösterreich. Trotz einer vernichtenden Niederlage in der Schlacht bei Mailberg 1082 gegen die Böhmen konnte sich Leopold II. in seiner Mark jedoch behaupten, wahrscheinlich weil der gesamte Adel auch nach der Niederlage hinter ihm stand. Jedenfalls waren es unruhige Zeiten, in denen der kleine Leopold aufwuchs.
Der Passauer Bischof Altmann, der aus seiner Bischofsstadt vertrieben war, weil er sich ebenfalls auf die Seite der Papstes gestellt hatte, entfaltete im Gebiet der Babenberger sein segensreiches Wirken, reformierte Klöster und gründete unter anderem Göttweig (1083). Altmanns silbernen Schrein kann man heute noch in der Unterkirche von Göttweig bewundern, wo er – obwohl nie kanonisiert – als Heiliger verehrt wird. Aber das nur nebenbei …
1095 übernahm Markgraf Leopold III., der spätere „Heilige“, die Mark von seinem verstorbenen Vater. Verheiratet war er in erster Ehe mit Adelheid von Perg/Machland, wodurch er seinen Einfluss im heutigen Oberösterreich nördlich der Donau wesentlich ausbaute. Nachdem seine erste Gattin gestorben war, kam es zu einem bemerkenswerten Ereignis, das das Haus Babenberg ins Fahrwasser der Weltgeschichte brachte und ihm den Aufstieg in die „Upperclass“ der Edlen des Heiligen Römischen Reiches ermöglichte.
Doch beginnen wir am Anfang: 1105 standen einander die Heere des Kaisers Heinrich IV. und seines rebellischen Sohns Heinrich V. bei Regensburg gegenüber. Leopold III. war als getreuer Lehensmann seines Kaisers im Lager Heinrichs IV. Doch in der Nacht kamen Boten zu Leopold und versprachen dem kleinen Markgrafen Unglaubliches, nämlich die Hand der Tochter Heinrichs IV., der soeben verwitweten Agnes von Waiblingen. Agnes war in erster Ehe mit dem Herzog von Schwaben, Friedrich von Hohenstaufen, verheiratet gewesen. Leopold ergriff die Chance, wechselte nächtens die Seite – und als Heinrich IV. frühmorgens aus seinem Zelt schaute, standen die Österreicher und übrigens auch die Böhmen im Lager Heinrichs V., und die Schlacht war obsolet geworden. Heinrich fügte sich in sein Schicksal, viele Menschenleben waren gerettet worden. Trotzdem frage ich mich: Tut ein Heiliger so etwas?
Agnes wurde als Herzogin von Schwaben die Stammmutter der Kaiser aus dem Hause Hohenstaufen; als Markgräfin von Österreich gebar sie Leopold noch 17 Kinder. Zu alledem verzichtete Kaiser Heinrich V. auf Königsgut in der Mark, auch die Städte Krems, Tulln, Wien und Hainburg gingen damals an die Babenberger über, was die Machtbasis Leopolds wesentlich stärkte – zusammen mit der „kaiserlichen“ Braut also wahrlich ein gutes Geschäft für den Markgrafen.

Eine erste „Gründerzeit“

Leopold selbst gründete nahe Wien das Stift Klosterneuburg (1108) und im Jahre 1133 auf Bitte seines gelehrten Sohns Otto, der in Paris in den Zisterzienserorden eingetreten war, das Stift Heiligenkreuz im Wienerwald.

Sowhl Klosterneuburg als auch Heiligenkreuz kommen übrigens als Ausgangs- oder Endpunkte im Buch „Wandern im Wienerwald“ vor …

Kloburg

Klostergründungen waren der Wirtschaftsmotor dieser Zeit. Die Mönche rodeten, drangen in noch nicht kultiviertes Gebiet vor, brachten Kultur, fortschrittliche Kulturtechniken und Wohlstand in bisher unerschlossene Gebiete.
So wurden in der Zeit des Hl. Leopold gegründet:
• Seitenstetten – 1109 durch Reginbert von Hagenau und Udalschalk von Stille und Heft
• St. Georgen an der Traisen, das heutige Stift Herzogenburg – 1112 durch Bischof Ulrich von Passau
• Kleinmariazell im Wienerwald – um 1120 durch Heinrich und Rapoto von Schwarzenburg-Nöstach. Dass Leopold III. Mitbegründer des Klosters sei, ist heute nicht mehr haltbar, obwohl seine Gattin Agnes das Kloster beschenkte.
• Stift Zwettl wurde 1138 vom Mutterkloster Heiligenkreuz aus besiedelt, aber das war schon nach Leopolds Tod und ist somit, wie die zeitnahen Gründungen der Stifte Altenburg, Geras und Pernegg, eine andere Geschichte.

In Melk dichtete Frau Ava, eine erste frühe Lyrikerin in deutscher Sprache. Dort wurden auch die berühmten „Melker Annalen“ angelegt.
Das einst wilde, unkultivierte Grenzland im Osten rückte zunehmend unter der Regierung dieses Markgrafen, den man nicht umsonst auch den „friedfertigen“ (Pius Marchionis) genannt hat, ins Licht der Geschichte. Dieses „Pius Marchionis“ beschreibt ihn meiner Meinung nach viel besser als das Attribut „heilig“. Er war in seiner Mark durchaus auf seinen Vorteil bedacht und auch bereit, sich beinhart durchzusetzen, wenn es um besagten Vorteil ging.
Als die Salier mit Kaiser Heinrich V. im Jahre 1125 ausstarben, wurde auch Leopold die Kaiserkrone angetragen. Mit klugem Sinn für das Mögliche lehnte er dankend ab, und so wurde der Herzog von Sachsen, Lothar von Supplinburg, zum König und nach erfolgtem Rom-Zug zum Kaiser gekrönt.
Doch schon 1127 wählten unzufriedene Fürsten den Staufer Konrad III. zum Gegenkönig. Daher war plötzlich der Stiefsohn Leopolds (Sohn von Agnes von Waiblingen aus erster Ehe) deutscher König – und Leopold Stiefvater des neuen deutschen Kaisers.

Markgraf Leopold starb nach einem Jagdunfall 1136. Interessant ist, dass weder Adalbert, sein erster Sohn aus erster Ehe, noch Heinrich, sein ältester Sohn aus zweiter Ehe, den Titel Markgraf von Österreich übernahmen. Der jüngere Leopold (IV.) wurde den beiden Brüdern in der Erbfolge vorgezogen. Da hat wohl Leopolds zweite Frau Agnes mehr als nur ein Wörtchen mitgeredet …
Leopold IV. war also nun Markgraf von Österreich. Als engen Parteigänger der Staufer belehnte ihn der Kaiser 1139 mit dem Herzogtum Bayern, das er den allzu machtbewussten Welfen abgenommen hatte.
Nach dem schnellen Ableben von Leopold IV. erbte dann doch Heinrich, den die Geschichte „Jasomirgott“ benannte. Mit Gertrud, einer Tochter Kaiser Lothars und Witwe des Bayernherzogs Heinrich des Stolzen aus dem Hause der Welfen, war er in erster Ehe ebenfalls mit einer Lady der absoluten deutschen Upperclass verheiratet.
Nach deren frühem Tod – sie starb gleich bei ihrer ersten Geburt im Kindbett – heiratete er Theodora Komnena, eine Nichte des byzantinischen Kaisers Manuel I., ebenfalls eine sehr gute und für den Babenberger ehrenvolle Partie. Die hatte er von seinem Kreuzzug, der ansonsten eine Katastrophe gewesen war, aus dem Osten mitgebracht. Es gibt eine liebenswerte Theorie, dass das uralte Wiegenlied „Aber heitschi bombeitschi“ die Verballhornung eines griechischen Wiegenliedes sei, das mit Theodora an den Wiener Babenbergerhof gekommen war.

Heinrichs Bruder Otto, seines Zeichens Bischof von Freising, Zisterzienser-Heiliger und einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber des Mittelalters, scheint von seinem Bruder keine hohe Meinung gehabt zu haben, wenn er von ihm sagt, er sei „nicht so sehr wegen der Gaben seines Geistes als mehr wegen seiner starken Hand“ geachtet. Otto deutet uns damit an, sein Bruder sei eigentlich ein Trottel.
Schon 1156 wurde Österreich von Bayern abgetrennt und ein eigenes Herzogtum, dem der Kaiser – jetzt war es schon Friedrich I. Barbarossa, dessen Stiefonkel der Babenberger Heinrich Jasomirgott war – mit dem „Privilegium minus“ Rechte verlieh, wie es sie bisher im deutschen Reich nicht gegeben hatte.
Die Häuser Hohenstaufen und Babenberg blieben für die nächsten 100 Jahre eng verbunden. 1246 starben die Babenberger im Mannesstamm aus; 1250 kam auch der letzte große Stauferkaiser, Friedrich II., ums Leben. Der Sohn der Babenberger-Erbin Gertrud, wurde 1268 gemeinsam mit Konradin, dem letzten Staufer, auf dem Marktplatz von Neapel enthauptet.

Das aber ist schon wieder eine ganz andere Geschichte, an die wir nicht denken wollen, wenn wir zu Leopoldi das große Fass in Klosterneuburg hinunterrutschen – oder bei der momentanen Pandemie daran denken, dass wir nächstes Jahr hoffentlich wieder rutschen werden.

ÜBRIGENS: Ich bin Fremdenführer aus Leidenschaft und darf sowohl in Klosterneuburg als auch in Stift Heiligenkreuz führen. Fragen Sie mich, wir planen Ihre ganz spezielle Tour!

Anmerkung:
*Investiturstreit: Bis zu Papst Gregor VII. war es üblich gewesen, dass der deutsche Kaiser die Bischöfe im Reich eingesetzt hatte. Das war für den Kaiser wichtig, da die Bischöfe auch über Territorien im Reich herrschten. Im Gegensatz zu den weltlichen Fürsten, deren Fürstentümer längst erblich geworden und deren Fürsten daran interessiert waren, die Macht des Kaisers zu ihrem eigenen Vorteil zu schmälern, konnte der Kaiser beim Tod eines Bischofs jeweils einen Mann dort einsetzen, auf den er sich verlassen konnte und der sicher seine Partei vertreten würde. Für die Seelsorge in den Diözesen war das nicht immer gedeihlich.
Nun kam mit Gregor VII. ein Fanatiker auf den Papstthron, und auch Kaiser Heinrich IV. dürfte eine gestörte Persönlichkeit gewesen sein – ein Konflikt war somit programmiert. Wechselseitige Amtsenthebungen, der Kirchenbann als Strafe gleich für ein ganzes Land sowie der berühmte Canossagang des Kaisers im Jahre 1077, um vom Kirchenbann gelöst zu werden, waren die Folgen dieses Ringens, das erst mit dem Wormser Konkordat (1122) beendet wurde.
Die Folge war eine wesentliche Schwächung der Gewalt des Herrschers. So ging den Kaisern langsam die Machtbasis verloren, während die Fürsten – nun auch die geistlichen – immer mehr nach ihrem Gutdünken schalteten und walteten. Das Reich zerfiel im Laufe der nächsten Jahrhunderte in viele Teilfürstentümer, die untereinander oft uneins waren und im Streit lagen.
Gegen Ende des Mittelalters hatten die Kaiser kaum mehr Macht, das Reich bestand aber nominell noch bis 1806.

Über den Autor dieses Beitrags

Manfred klein

Geschichten begeistern mich schon ein Leben lang. So habe ich meine Berufung zum Beruf gemacht und bin jetzt Austria-Guide. Wenn Sie einen Begleiter und Guide für einen Tag oder Nachmittag brauchen, rufen Sie mich an. Ob Burg, Stift oder Stadt – ich begleite Sie gerne und habe viel zu erzählen!

Manfred Hartl: +43 664 73 90 55 23
Mail: manfredhartl@gmx.at
Website:  https://www.guide-manfred.com

Vorheriger Artikel

Kein Fink, keine Linde

Nächster Artikel

Honigfalle

Einen Kommentar schreiben

Einen Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abonniere unseren Newsletter

Bleibe auf dem laufenden und werde informiert, sobald wir neue Beiträge hochladen.
Pure inspiration, zero spam ✨