Am 14. September 2024 vormittags fliegen wir ab. In Wien haben die Regenfälle, aus denen sich binnen weniger Stunden nach unserer Abreise das „Jahrhundertunwetter“ entwickeln sollte, bereits begonnen. Eh klar, Jahrhundertunwetter – das ist in Zeiten, wo jede Wetter-App zum Politikum geworden ist und mit Hitze-, Kälte-, Sturm- und Regenwarnungen um sich wirft, ganz normal. Aber die Lage, so bedrohlich manche ihrer Auswirkungen auch sein mögen, lässt sich viel einfacher erklären: Monatelang war es idiotisch heiß, viel zu trocken, keine Wolken, immer nur blauer Himmel und gnadenloser Sonnenschein … und irgendwann kommt halt alles runter, was sich da aufgestaut hat. Heftige Regenfälle (in Deppensprache „Starkregen“ genannt; siehe auch den Unfug von der „gefühlten Temperatur“) gibt es seit jeher und Überschwemmungen immer wieder.
Sei dem, wie es sei: Wir sind froh, nach einem kurzen und ereignislosen Flug in Bologna anzukommen, wo das schlechte Wetter noch auf sich warten lässt. Am Flughafen ist alles schnell erledigt, die wunderbare Einschienenbahn Marconi Express bringt uns schnell zum Bahnhof in die Stadt, und dann heißt es, das Gepäck durch die Straßen zu unserem Quartier zu befördern. Ja, es ist heiß, blauhimmlig und sonnig, aber Bologna ist ja nicht umsonst für seine Arkaden bekannt. Insgesamt erstrecken sich diese Säulengänge – die ein Weltkulturerbe sind, wie mittlerweile eh fast alles – über eine Länge von beinahe 40 Kilometer, wie man jedem Reiseführer entnehmen kann. Und sie schützen einen vor den Unbillen des Wetters, so oder so, wie wir in den nächsten Tagen zu unserer Freude immer wieder bemerken werden.

Schon der erste Spaziergang vermittelt uns die Erkenntnis, dass Bologna eine angenehme Stadt ist, nicht zu groß, nicht zu hektisch und mit einem wunderbaren alten Stadtkern. Man nennt sie auch die „rote Stadt“, weil A. viele ihrer Häuser aus roten Ziegeln erbaut sind und B. die Politik stark zum Kommunismus neigt. Doch trotz dieser Tatsache und der vielen Studenten und -innenInnen, die sich in dieser Universitätsstadt tummeln, hat man nie – oder nur in unmittelbarer Uninähe – den Eindruck, in ein Woke-Nest voll verkrampfter Linksideologen gefallen zu sein, die allen anderen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Es ist halt doch Italien, und da sind Don Camillo und Peppone nie weit weg …

Wir beziehen unser Quartier, eine gemütliche kleine, über die landesüblichen steilen Stiegen erreichbare Wohnung im ehemaligen jüdischen Ghetto von Bologna, packen die Koffer aus und gehen los. Zuerst führt uns der Weg zu den nahen Geschwistertürmen, einem oder dem Wahrzeichen der Stadt, die schön schief dastehen und in denen man auch den Aufstieg wagen kann. Theoretisch. Derzeit ist aber da eine Riesenbaustelle, also geht besichtigungsmäßig gar nix. Das wäre schon der erste Grund, bald wieder einmal hierherzukommen.
Jetzt aber heißt es frühstücken. Wir nehmen – wie immer, wenn wir wo neu sind – das erstbeste Lokal in einer Gasse in der Nähe, wo jetzt am Wochenende Fußgängerzone ist und das von einem hervorragenden Hund beherrscht wird, der alles unter Kontrolle hat.

Danach geht’s auf die Piazza Santo Stefano, wo wir staunend vor dem Palazzo Amorini Salina stehen und die vielen Büsten an der Fassade betrachten … und siehe da, bald schaut auch der Gottseibeiuns hämisch grinsend auf uns herunter.


Anschließend spazieren wir zum Hauptplatz (der Piazza Maggiore) hinüber, der nicht nur bemerkenswert groß und schön ist, sondern auch das Tourismusbüro beherbergt. Dort erwerben wir jeder eine „Bologna Welcome Card“, die uns praktischerweise den Zugang zu vielen Museen und Sehenswürdigkeiten ermöglicht und auch eine Innenstadtführung beinhaltet. Letztere buchen wir gleich für den nächsten Vormittag, aber bitte auf Englisch. Wir wollen ja weder mit Österreichern noch mit Deutschen unterwegs sein, weil das immer so schenant ist. Eventuell mit Schweizern, aber bei meinem Pech sind wieder keine Schweizer da.

Trotz Menschengetümmels wirkt die Piazza Maggiore frei und angenehm. Das liegt zum einen an der Architektur, zum anderen aber auch daran, dass hier das heimische Phänomens des „sinnlosen Herumtaumelns“ (wobei das Herumtaumeln ja eigentlich definitionsgemäß sinnlos ist, außer man hat sich gerade eine Schusswunde eingefangen) auf angenehmste Art fehlt.
Sie werden das wahrscheinlich kennen aus der Heimat, wo Leute gern unberechenbar hin und her rochieren, manchmal auch ganz spontan stehenbleiben (vorzugweise oben auf der Rolltreppe), sich plötzlich für Richtungswechsel entscheiden oder durch das vor ihre Visage gehaltene Smartphone sowieso nicht mehr Herr ihrer Sinne sind. (Ein Extrembeispiel ist die Rolltreppe, die aus der U3-Station Landstraße in diese seelenlose Umsteigehalle hinaufführt und fast alle Leute, die in ihre Nähe kommen, sofort zu Bewegungsgestörten macht …)
Jedenfalls: Hier wird zwar gewimmelt und getümmelt, aber nicht getaumelt. Außer man geht versehentlich hinter, vor oder neben einem Wiener oder gar einem Piefke her. So schnell kann man gar nicht schauen, ist man schon mit diesen Leuten kollidiert. Naja, wurscht, wir wandern weiter durch die Gassln und kommen zu einem Tandler, der allerlei Kleidung, Nippes, Bilder und Haushaltsklumpert feilbietet. Gleich im Eingang aber stehen Kartons mit vielen, vielen Giallo-Krimis aus dem Mondadori-Verlag. Herrlich. Italienisch sollt’ man halt können.

Weil wir unsere Willkommenskarte schon haben, kehren wir noch einmal auf den Hauptplatz zurück und steigen im Rathaus – über eine Treppe, auf der verrückte Adelige einst mit dem Pferd reiten konnten (man aber heute als Fußgänger Gefahr läuft, sich zu derstessn, wenn man nicht vorsichtig ist) – in den zweiten Stock, um von dort weiter in den Uhrturm alias Torre dell’Orologio (na bitte, ein bissl Italienisch geht ja schon) hinaufzuklettern. Sehenswert, sowohl der Turm als auch die Aussicht … Und unten am Piazza Maggiore beginnt gerade ein Jazzkonzert.


Wir hören aber nicht lang zu, sondern ergehen uns weiter zwischen den Ziegelbauten der roten Stadt, bis wir wieder in dem Lokal landen, wo wir schon gegen Mittag waren, um dort den Sonnenuntergang und den beginnenden Abend zu genießen.
Regel Nr. 1: Die wirklich guten Restaurants und Geheimtips findet man, wenn überhaupt, dann erst nach ein paar Tagen, leider oft erst kurz vor der Abfahrt). Bis dahin setzt man sich lieber in einen bekannten Schanigarten, schaut Leute an und richtet sie aus, trinkt Rotwein und Aperol Spritz, stopft Chips und Gratisoliven in sich hinein …


… und bestellt sich dann doch eines der verfügbaren Gerichte. Weil: Schlecht essen und trinken kann man in Italien fast nirgends. Aber es geht immer noch besser. (ph)
