Im Goldenen Triebwagen

In den Sommermonaten bietet die Waldviertelbahn nicht nur ein einmaliges Erlebnis für Eisenbahnfreunde, sondern auch viele Gelegenheiten für Wanderungen

Als wir unser Buch Wandern im Waldviertel. Die 33 schönsten Wanderungen und 7 Stadtspaziergänge schrieben – nach fast zweijähriger Recherche –, waren wir von den Schönheiten dieser Wander- und Kulturregion so begeistert, dass wir kaum ein Ende fanden. Und bald darauf kam die Nachricht vom Verlag: Das Buch war zu lang. Aus diesem Grund mussten wir schweren Herzens kürzen – weniger bei den Beschreibungen der Wanderrouten als bei den vielen Artikeln, Info-Boxen und „Am Wege“-Beiträgen, in denen wir all das schilderten und erklärten, was uns aufgefallen war und wichtig erschien.

Weil man bekanntlich nichts verkommen lassen soll und diese fehlenden Buchseiten ja doch viele Leser interessieren könnten, veröffentlichen wir sie jetzt nach und nach auf den Seiten dieses Blogs. Beispielsweise den folgenden Beitrag, der eigentlich direkt im Anschluss an unsere Wanderung 1-6 – Am kleinen Semmering. Stationen der Waldviertelbahn – von Langschlag nach Steinbach zu lesen hätte sein sollen – und über besagten „Semmering“ und unsere liebste Bahnlinie im Waldviertel erzählt:

Altes (An-)Werbeplakat im Waldviertelbahn-Museum Litschau

Die 1854 eröffnete Semmeringbahn, die von Gloggnitz nach Mürzzuschlag führte, war ein gewaltiger Erfolg. Diese Bahnstrecke in die Steiermark war nicht nur praktisch für Reisende, sondern machte den Semmeringpass samt Umgebung auch zum beliebten Ausflugs-, Sommerfrische- und Urlaubsziel. Das führte dazu, dass der Name „Semmering“ bald für Bergpässe aller Art verwendet wurde; Beispiele dafür finden sich am Kleinen Semmering bei Breitenfurt in der Nähe Wiens, ebenso wie in Sachsen, Tschechien und Rumänien.

Kein Wunder, dass es auch im Waldviertel einen Kleinen Semmering gibt, der aber der besseren Orientierung wegen auch den Namen „Waldviertler Semmering“ trägt – und eigentlich Bruderndorfer Sattel heißt. Er liegt zwischen den Haltestellen Steinbach-Bad Großpertholz und Langschlag der Waldviertelbahn und hat die einzigen Bahntunnel des Waldviertels sowie als höchsten Punkt der Reise (806 m) den alten Bahnhof Bruderndorf (mit Wasserstation für Dampflokomotiven) zu bieten.

Der Kleine Semmering liegt am Südast der Waldviertler Schmalspurbahnen (so die offizielle Bezeichnung), der von Gmünd nach Groß Gerungs führt. Der nördliche Ast erstreckt sich einerseits von Gmünd nach Litschau und andererseits, als Abzweigung vom Bahnhof Alt-Nagelberg aus, nach Heidenreichstein (Wackelstein-Express).

Als das Waldviertel in den 1870er Jahren durch die Kaiser-Franz-Josefs-Bahn von Wien nach Prag an das internationale Eisenbahnnetz angeschlossen wurde und dadurch einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, wurde schnell der Wunsch nach Lokalbahnen in der Region laut. 1899 gründete man daher die „Niederösterreichische Waldviertelbahn AG“. Erste Züge auf den Nordstrecken fuhren bereits 1900; der reguläre Betrieb auf der gesamten Südstrecke folgte dann 1903. Schon 18 Jahre später übernahmen die Österreichischen Bundesbahnen Strecken und Betrieb der Waldviertelbahn, im Dritten Reich gehörte sie dann zur deutschen Reichsbahn.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen die Bahnanlagen auf tschechischem Gebiet (České Velenice) hinter dem Eisernen Vorhang, weshalb in Gmünd ein neuer Bahnhof errichtet werden musste. Später nahm der Personen- und Güterverkehr auf allen Strecken der Waldviertelbahn wegen der zunehmenden Motorisierung immer mehr ab. Der reguläre Betrieb wurde daher mit Mai 2001 endgültig eingestellt.

Seither dient die Waldviertelbahn während mehrerer Monate des Jahres touristischen Zwecken. Heute werden unter anderem Nostalgiefahrten mit Dampf- und Dieselloks, Bahnausflüge im „Goldenen Triebwagen“, Erlebnishalte und Themenfahrten (Westernzug, Karpfenexpress) angeboten. Doch auch der normale Ferien-Zugsverkehr durch die wunderschönen Landschaften an der Waldviertelbahn lohnt sich – nicht nur für Wanderer. (ph)

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