Abstecher ins Paradies

Mehr als nur eine Klosterruine – das Paradies im Wienerwald ist mit einer Wunderquelle, Schautafeln, einem Jausenpavillon und einer interessanten Märtyrerdarstellung ausgestattet

Route Nr. 8 (mit dem vielversprechenden Titel: „An der ,fürnembsten Landstrassen durch den Wienerwaldt‘ “) in unserem Buch Wandern im Wienerwald führt von Gablitz auf den Troppberg und den Riederberg. Kurz vor Erreichen der Riederberghöhe hat man die seltene Gelegenheit, dem Paradies einen Besuch abzustatten.

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Nach etwa 15 Minuten Gehzeit erreicht man zunächst die – zugegeben – wenig elysisch anmutende „Quelle im Paradies“. Aber lassen Sie sich vom äußeren Erscheinungsbild nicht täuschen! Viele der unscheinbaren Quellen im Wienerwald können mit wundersamen Geschichten aufwarten – so auch diese.

Wo der tobsüchtige Quellgeist haust

Lange Zeit vermutete die ländliche Bevölkerung an diesem Ort einen Quellgeist. In Zeiten der Dürre strömten ganze Prozessionen ins „Paradies“, um in einem Ritual, das eher an altheidnische Geisterbeschwörungen erinnert denn an einen christlichen Bittprozess, „mit Schlägen in die Quelle, Lärm und Verwünschungen“ den Quellgeist in seiner Ruhe zu stören. Dieser ließ seinem erhofften Zorn dann in Form von Regengüssen, Blitz und Donner freien Lauf – und die Geisterbeschwörer konnten sich oft nur noch in letzter Sekunde vor dem nassen Segen in Sicherheit bringen. (Quelle: Franz Vormaurer: „Die Klosterruine“, 1979) Bis Anfang der 60er Jahre soll an diesem Ort kultischen Bräuchen und Ritualen nachgegangen worden sein.

Ein Ort voller Rätsel

Unweit der Quelle befindet sich das nächste Mysterium: gewaltige Steinkugeln mit zwei Meter Durchmesser, verziert mit zahlreichen Ausmeißelungen. Auch sie dürften Beweis dafür sein, dass an diesem Ort noch während der Christianisierung heimlich kultische (heidnische) Handlungen vollzogen wurden.

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Die „Klosterruine Riederberg“

Nach der Quelle kommt man zu den Überresten eines frühen Franziskaner-Observanten-Klosters, das um 1455 an der Stelle einer älteren – vermutlich aus dem 14. Jh. stammenden – Laurentius-Kapelle errichtet wurde.

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Informationstafeln geben Auskunft über die Geschichte dieses Ortes, des Klosters und des Franziskanerordens an sich. Hier erfährt man, dass das Kloster als Ausbildungsstätte der österreichischen Ordensprovinz diente, die durch den Prediger Johannes von Capistran ins Leben gerufen wurde.

Kleiner Tip: Es lohnt sich, auch die Rückseiten der Tafeln in Augenschein zu nehmen – auf denen gehen die Informationen nämlich gut versteckt weiter!

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1529 wurde die geistliche Stätte von den Türken zerstört und geriet bald darauf in Vergessenheit. Die Ruine wurde von der Bevölkerung letztendlich nur noch als Steinbruch benützt.

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Erst im 19. Jahrhundert wurde sie von einem Pfarrer aus Sieghartskirchen „wiederentdeckt“ und erforscht.

Von sagenhaften Schätzen und schwarzen Hunden

Seit jeher ranken sich Sagen und Mythen um diesen geheimnisvollen Ort. Die Menschen aus der Umgebung erzählten sich Geschichten über Schätze, die unter den Mauern verborgen sein sollen, und gefährlichen schwarzen Hunden, die diese bewachen.

„Der Keller ist jetzt verfallen, nirgends ist ein Eingang zu finden. Alljährlich am Karfreitag aber, in der Zeit zwischen Predigt und der Passion, öffnet sich der Keller und man kann sich von den Schätzen nehmen, was man zu tragen vermag. Nur muss man trachten, den Keller zu verlassen , bevor in der Kirche die Passion zu Ende gelesen wird, denn sonst schließt sich der Keller wieder und der Eindringling ist verloren. Die Hunde, welche die Zähne fletschen und knurrend auf den Eindringling losfahren, braucht man nicht zu fürchten, weil sie zu dieser Zeit nicht beißen.“ (Franz Högl, 1926 in der Zeitschrift „Tullner Gau“)

Da es sich bei den Franziskanern jedoch um einen Bettelorden handelte, zu dessen höchsten Tugenden Besitzlosigkeit zählte, erscheint es eher unwahrscheinlich, dass sie große Schätze angesammelt und versteckt haben – aber was weiß man.

Ist der Heilige Laurentius mit dem Eisenrost des Rätsels Lösung?

Wer sich beim Verlassen der Anlage – wie wir Banausen – wundert, warum Engel dem Heiligen Laurentius einen Gitterrost bringen, dem sei gesagt: Der Überlieferung zufolge war Laurentius in Rom für die Verwaltung und Verwendung des Kirchenvermögens für soziale Zwecke zuständig. Als der römische Kaiser Valerian Papst Sixtus enthaupten ließ, wurde Laurentius gezwungen, den Kirchenschatz innerhalb weniger Tage herauszugeben. Laurentius aber verteilte das gesamte Vermögen an die Mitglieder seiner Gemeinde und versammelte Arme, Kranke, Witwen und Waisen, die er dem Kaiser als „den wahren Schatz der Kirche“ vorsetzte. Daraufhin wurde er gefoltert und anschließend auf einem glühenden Eisenrost hingerichtet. So kommt der Märtyrer zu eben jenem Rost als Attribut in bildlichen Darstellungen.
Vielleicht ist man auch in der Sage ursprünglich von einem ideellen Schatz ausgegangen  – etwa den vielen kunstvollen Büchern, die im Kloster geschrieben wurden und von denen man einige retten konnte. Sie sind heute in der Zentralbibliothek der Wiener Franziskanerprovinz in Graz zu bewundern.  (kat)

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