
Es war Mitte Juni, es war heiß und sonnig – aber diesmal haben uns die diversen Wetter-Apps (im Gegensatz zum vergangenen Jahr) wenigstens keinen strömenden Regen vorhergesagt. Wir haben mit warmem Wetter gerechnet, waren entsprechend adjustiert und haben die neuneinhalb Stunden Zugfahrt nach Triest gutgelaunt und voller Vorfreude verbracht, aus dem Fenster geschaut und uns auf unsere Urlaubswoche gefreut.
Was auch heuer wieder eine leere Versprechung war, ist die Geschichte mit der „Stadt der Winde“. Kein Lüfterl, schon zum zweiten Mal. Völlig windstill. Pure Fremdenverkehrspropaganda. Bestenfalls am Meer ist manchmal ein leichter Luftzug dahergefächelt gekommen, grad soviel, dass man weiß, die Atmosphäre setzt sich aus beweglichen Molekülen zusammen. Triest ist also bis zum Beweis des Gegenteils (vielleicht sollten wir einmal im Herbst oder Winter herkommen) nicht die Stadt der Winde, sondern die Stadt der opulenten Versicherungspaläste (siehe oben), der interessanten Schilder – EVOLVER ist ein Name, der mir historisch viel bedeutet –, romantischen Fensterläden und interessanten Plakate wie dem für den „Bloomsday 2024“ unten rechts, weil A. James Joyce, dessen Spuren in dieser Stadt nicht zu übersehen sind, und B. die nette öffentliche Bücherei hier, in der Fußgängerzone und mit Tischen draußen zum Lernen.
Kurz gesagt: Man freut sich gleich beim ersten Spaziergang.



Und der führt natürlich, wenn es Abend wird, auch auf die Mole Audace hinaus (sollte man eigentlich jeden Abend machen, aber diesmal gelang es uns nicht ganz), wo man sinnestrunken aufs Meer hinausschaut – und an diesem Anreisetag die Pride Parade – oder wie auch immer sich das We-are-the-only-gays-in-the-village-Treiben hier nennt – mit ihrem lauten DJ-Radau und den hysterischen Ansprachen zu ignorieren versucht.

Später war die Piazza Unità d’Italia (siehe unten) dann wieder recht leer – aber wir wollten daneben, auf dem Platz mit dem Verdi-Operntheater, noch ein abendliches Getränk zu uns nehmen. Und was tut Gott? Er schickt einen lieben alten Bekannten aus Graz, der samt Ehefrau auch in einem Schanigarten sitzt, wo die beiden Cocktails trinken. Wir setzen uns dazu und unterhalten uns ein paar Stunden, allerdings schreiend, weil gegenüber ein DJ, der dem Plattenaufleger vom Regenbogengschnas Konkurrenz machen will, einen Höllenlarm mit teuflisch schlechter Musik verursacht.
Andererseits: Es gibt viel zu sehen, kurzbeiniges und unglaublich kurzberocktes Menschenmaterial mit Cowboystiefeln (bei der Hitze!), das Auftauchen darauf spezialisierter Beutegreifer, ein ganz besonderes Saturday Night Life, zu dem wir uns allerlei Geschichten ausdenken. Ich sage nur: Cellolitas. Aber für solche Sachen ist hier nicht der richtige Ort; sowas bespricht man eben am besten, wenn man im Freien zusammensitzt und Leute beobachtet, um sie gnadenlos auszurichten …


Nach angeregter Brüllerei verabschieden wir uns, die Gesprächspartner fahren zurück nach Graz, wir retirieren in unser Appartement, nicht ohne vorher noch nach den Leuchtspuren von James Joyce zu suchen (oben rechts) oder uns über eine spätabendliche Lokalimpression (unten) zu freuen.

Am nächsten Tag geht es schon am frühen Vormittag mit dem Bus, der wie stets in bewunderungswürdiger Weise die Bergstraßen hinaufrast, zum Monte Grisa, einer unserer liebsten Sehenswürdigkeiten in Triest. Diese in brutalistischer Architektur gehaltene Kirche (auch „die Käseecke“ genannt) haben wir bereits im vergangenen Jahr besucht, kommen aber gern wieder her, um ihre aus Dreiecken aufgebaute beeindruckende Innengestaltung zu bewundern. Eigentlich schiach, wie die meiste moderne Architektur, aber doch irgendwie gut. (Sondermeldung: Die Schneekugeln mit der Kirche, die wir 2023 als wohl kitschigstes Souvenir mit nach Hause gebracht haben, gibt’s nicht mehr, weder hier noch sonstwo … wir haben überall gesucht!)


Nach der Begehung des Kirchengebäudes schreiten wir zum Frühstück im hauseigenen Lokal (wo man angeblich auch sehr gut essen kann) und machen uns dann auf den Weg zur Strada Napoleonica. Ein wichtiger Hinweis, ganz im Sinne des Kollegen Singer, der findet, dass es keine Wanderbeschreibung ohne Angaben zu den zur Verfügung stehenden Toiletten geben sollte: Gehen Sie lieber gleich neben dem Lokal auf die modernen Klos – und nicht in die Anlagen unterhalb der vielen Jausenbänke; sonst finden Sie ein Loch im Boden wie auf dem Bild unten rechts. Und das muß ja auch nicht sein.


Wir finden jedenfalls den Abstieg zur Strada Napoleonica, einen sehr schönen und manchmal steinigen Waldweg, auf dem es zwischendurch auch eine Aussichtswarte zu erklimmen gibt, kommen direkt an den Beginn der historischen Straße, die mittlerweile als beliebter Wanderweg genützt wird – und marschieren los.



Es ist sonnig, es ist wirklich heiß, man braucht viel zu trinken, aber …

… der Weg ist schön, die Aussicht auf dem Weg zum Obelisken herrlich, und schwitzen würden wir anderswo auch.

Den Rest des Sonntags lassen wir dann in Triest ausklingen, beim kurzen, aber gefälligen Canal Grande, den teilweise steilen Gassen mit ihren Stufen …


… und schließlich auf der Promenade zwischen Triest und Miramare, wo der einheimische Mensch zum Baden und Sonnen hingeht, während wir im Schatten ausharren und auf den Sonnenuntergang warten. Der kommt spät, aber er kommt. (ph)

Vom Feeling her hatte ich beim Lesen sofort dieses unverwechselbare Triest-Gefühl!
Grazie.
Ich empfehle als Ergänzung eine Nacht (oder mehr) im Hotel James Joyce in der Via dei Cavazzeni, in einer dieser engen Gassen.
Nett.
D’Ehre
Txtwrka Jölein
Wir sind schon daran vorbeigegangen. Vielleicht bei einem herbstlichen, windigen Kurzaufenthalt …
Danke für das Lob!
Selbiger
[…] damit war’s natürlich noch lange nicht aus. Wozu gibt es denn die bereits beschriebenen praktischen Busse, die über die Bergstraßen rasen und viel billiger als die öffentlichen […]